So werden Beschlüsse über kontroverse Themen auf einer Präsenzversammlung gefasst

Ivo Schmiedt
Ivo Schmiedt
letztes Update: 28.02.2024

Die förmliche Präsenzversammlung ist die Grundform, um Beschlüsse zu fassen. Diese Art der Beschlussfassung werden wir in diesem Artikel am Beispiel der GmbH-Gesellschafter erörtern.

Für eine förmliche Präsenz-Gesellschafterversammlung ist es erforderlich, dass sich die Gesellschafter an einem physischen Ort treffen (also nicht nur virtuell). Hiervon leitet sich der Begriff “Präsenzversammlung” ab. Wenn von einer “Gesellschafterversammlung” die Rede ist, wird hierunter regelmäßig eine Präsenzversammlung verstanden (und nicht etwa eine virtuelle Versammlung).

Vie­le For­ma­li­en müs­sen be­ach­tet wer­den.

Damit in einer förmlichen Präsenzversammlung wirksam über Beschlussanträge abgestimmt werden kann, müssen eine ganze Reihe an Formalien erfüllt sein. Die zu beachtenden Vorgaben können sich aus dem GmbH-Gesetz oder dem Gesellschaftsvertrag ergeben.

Alle Formalien einzuhalten, ist selbst für Juristen nicht immer einfach. Bei besonders wichtigen Entscheidungen ist es daher ratsam, einen spezialisierter Rechtsanwalt hinzuzuziehen.

Folgende Formalien müssen regelmäßig beachtet worden sein, damit eine wirksame Beschlussfassung überhaupt erst möglich ist:

  1. Die
    initiativberechtigte Person
    muss selbst die Einladung versenden. Das ist primär der Geschäftsführer.
  2. Die Einladung muss in der richtigen Form erfolgen. Das Gesetz schreibt hier den “eingeschriebenen Brief” vor. Viele Gesellschaftsverträge erlauben jedoch auch modernere Formen.
  3. Die Einladung muss die Mindestangaben enthalten:
    • Bezeichnung der einladenden Gesellschaft
    • Name des Einberufenden
    • Bezeichnung des Zwecks der Einladung: Abhaltung einer Gesellschafterversammlung
    • Ort und Zeit der Versammlung
    • Tagesordnung mit Bezeichnung der Themen, über die Beschluss gefasst werden kann. Alternativ ist die Nachreichung der Tagesordnung spätestens drei Tage vor der Versammlung noch möglich.
  4. Die Einladung muss an den richtigen Adressatenkreis erfolgen. Das sind bei einer Präsenzversammlung der Gesellschafter (Gesellschafterversammlung) die Gesellschafter. Wichtig ist, dass auch Gesellschafter eingeladen werden, die kein Stimmrecht haben.
  5. Die Ladungsfrist muss beachtet worden sein. Diese beträgt mindestens eine Woche zwischen Einladung und Termin für die Gesellschafterversammlung. Wichtig ist, dass man die Frist richtig berechnet (oder lieber etwas Puffer lässt, wenn man sich unsicher ist).
  6. Die Gesellschafterversammlung muss am richtigen Ort stattfinden. Dies sollte regelmäßig irgendein Ort am Sitz der Gesellschaft sein (z.B. in den Geschäftsräumen der Gesellschaft oder in einem Restaurant). Der Sitz ist immer im Gesellschaftsvertrag bezeichnet.
  7. Das Mindestquorum (Mindestanzahl der teilnehmenden Gesellschafter) muss erreicht worden sein, wenn der Gesellschaftsvertrag ein Mindestquorum vorschreibt. Ohne eine solche Bestimmung im Gesellschaftsvertrag gibt es keine Quorumsvorgaben zu beachten.
  8. Das Mehrheitserfordernis ????️ muss bei der Abstimmung erfüllt worden sein. Meistens genügt eine einfache Mehrheit (50,1 % der abgegebenen Stimmen). In besonderen Fällen oder wenn der Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt, können höhere Mehrheitserfordernisse gelten.

Der Resolvio-Beschlussgenerator hilft dir bei der Erstellung des Einladungsschreibens

Förmliche Gesellschafterversammlung einberufen mit Resolvio

Jetzt Einladungsschreiben aus Vorlage erstellen

War­um so förm­lich?

Wenn man diese lange Liste an Formalien liest, fragt man sich unwillkürlich: Warum macht der Gesetzgeber etwas Einfaches wie eine Versammlung so kompliziert?

Das hat einen verständlichen Grund: In einer förmlichen Gesellschafterversammlung kann grundsätzlich die Mehrheit – gegen eine Minderheit Beschlüsse fassen. Diese Beschlüsse sind dann für alle Gesellschafter bindend, egal ob

  • manche Gesellschafter gegen den Beschluss gestimmt haben,
  • manche Gesellschafter abwesend waren.

Da also abwesenden Gesellschaftern und Minderheitsgesellschaftern im Ernstfall strittige Entscheidungen aufgezwungen werden können, soll ihnen durch die Formalien die Chance gegeben werden:

  • von der Versammlung zu erfahren und an ihr teilnehmen zu können,
  • sich auf die Beschlussthemen vorbereiten zu können,
  • versuchen zu können, die anderen Gesellschafter von ihrem Standpunkt zu überzeugen.

Zwei Vor­tei­le der förm­li­chen Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung

Aus dem Sinn und Zweck der Formalien ergibt sich der größte Vorteil einer förmlichen Gesellschafterversammlung.

Vorteil 1: Kontroverse Fragen können mit der Mehrheit entschieden werden.

Kontroverse Fragen, bei welchen es unterschiedliche Meinungen gibt, gibt es in jeder Gesellschaft. Sofern sich jedoch auch nach einer ausführlichen Diskussion keine Einigkeit erzielen lässt, kann dies zu verhärteten Fronten im Gesellschafterkreis führen und die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft gefährden.

Um eine solche Situation durch Mehrheitsentscheid aufzulösen, ist die förmliche Gesellschafterversammlung das Mittel der Wahl.

Vorteil 2: Persönliche Diskussion löst viele Probleme im Vorfeld.

Eine förmliche Gesellschafterversammlung ist immer auch eine Gelegenheit, sich zu treffen. Erfahrungsgemäß lassen sich schwierige Fragen gut diskutieren, wenn man sich persönlich gegenüber sitzt. In vielen Fällen wird ein streitiger Mehrheitsentscheid dann nicht mehr notwendig sein.

Drei Nach­tei­le der förm­li­chen Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung

Leider hat die förmliche Gesellschafterversammlung zahlreiche Nachteile, sodass man sich stets fragen sollte: Sind Gegenstimmen bei einem bestimmten Beschlussantrag überhaupt zu erwarten?

Die größten Nachteile sind:

Nachteil 1: Die Formalien sind komplex und schwierig einzuhalten.

Um eine Gesellschafterversammlung förmlich abzuhalten, müssen eine Vielzahl von Formalien beachtet werden (siehe oben). Das ist aufwändig und kostet viel Vorbereitungszeit für den einladenden Geschäftsführer. Vor allem dann, wenn die Zeit bis zum gewünschten Versammlungstag knapp wird, sollte zur Fristberechnung ein Rechtsanwalt hinzugezogen werden.

Aufgrund der vielen Formalien sind die Abstimmungen besonders fehleranfällig ⚠️. In vielen Fällen stellt sich erst im Nachhinein heraus, dass Beschlüsse mängelbehaftet sind. Je nachdem, wie schwer der Fehler wiegt, ist der Beschluss dann automatisch nichtig oder anfechtbar. Für wichtige Entscheidungen, die im Gesellschafterkreis umstritten sind, sollte daher erwogen werden, einen erfahrenen Gesellschaftsrechtler hinzuzuziehen, um die Wirksamkeit der Beschlussfassung zu garantieren.

Nachteil 2: Die Abstimmung ist für die Gesellschafter zeitaufwändig und unflexibel.

Unflexibel und zeitaufwändig ⌛ ist eine Gesellschafterversammlung vor allem deshalb, weil alle Teilnehmer

  • gleichzeitig
  • zu einem bestimmten Termin
  • an einem bestimmten Ort

sein müssen.

Eine Gesellschafterversammlung kann daher bei den Gesellschaftern die Terminkalender ordentlich durcheinanderwirbeln. Denn solange die Einladungsfrist eingehalten worden ist, kann der einladende Geschäftsführer frei entscheiden, wann die Versammlung stattfinden soll. Wer auf die Abstimmung persönlichen Einfluss nehmen und sich nicht vertreten lassen möchte, muss kommen – egal, ob er an diesem Tag schon zu einer Hochzeit eingeladen ist, oder einen lange anberaumten Geschäftstermin geplant hatte.

Besonders zeitraubend kann die Versammlung dann werden, wenn der Gesellschafter eine längere Anreise hat oder viele Themen in einem großen Gesellschafterkreis besprochen werden müssen.

Nachteil 3: Hohe Kosten

Je nach Anzahl der Gesellschafter und der Entfernung der Wohnorte können erhebliche Versammlungs- und Reisekosten entstehen. Während die Reisekosten regelmäßig von den Gesellschaftern selbst getragen werden, fallen die Versammlungskosten (Saalmiete, angemessene Verköstigung) der Gesellschaft zu Last.

Der Resolvio-Beschlussgenerator hilft dir bei der Erstellung des Einladungsschreibens

Resolvio hilft dir bei den Formalien

Jetzt Einladungsschreiben aus Vorlage erstellen

Die pas­sen­de Be­schluss­fas­sungs­art für jede Si­tua­ti­on

Dieser Artikel ist der zweite Teil einer Artikelserie zu den verschiedenen Arten der Beschlussfassung.

Im Laufe dieser Artikelserie werden wir uns die Vor- und Nachteile jeder Beschlussfassungsart genau anschauen. Am Ende dieser Serie wird jeder Gesellschafter und jeder Geschäftsführer (aber auch jeder Aufsichtsrats- oder Beiratsvorsitzende) genau wissen, wann er auf welche Beschlussfassungsart zurückgreifen kann.

Hier der Überblick über die bereits erschienen und geplanten Artikel:

  1. Überblick: Die verschiedenen Arten der Beschlussfassung
  2. Förmliche Präsenzversammlung (dieser Artikel)
  3. Vollversammlung
  4. Umlaufbeschluss
  5. Virtuelle Versammlung
  6. Fazit: Das ist die richtige Beschlussfassungsart für dich

Join the Beta!

Beschlüsse in deinem Unternehmen sind ein nerviges Thema? Wir haben die Lösung!

Bald kannst du nicht nur komfortabel Beschlüsse erstellen, sondern auch darüber abstimmen, unterschreiben und archivieren.

Melde dich jetzt an und erfahre zuerst, wenn es soweit ist.

  • Neue Vorlagen
  • Updates zu neuen Features
  • Kein Spam, versprochen!

Deine Einwilligung in den Versand kann jederzeit widerrufen werden, z.B. per E-Mail an newsletter@resolvio.com oder an die im Impressum angegebenen Kontaktdaten. Der Newsletter-Versand erfolgt entsprechend unserer Datenschutzerklärung.

Ein Artikel von

Ivo Schmiedt
Ivo Schmiedt

Rechtsanwalt, Front End Web Developer

Ivo ist Rechtsanwalt bei der Kanzlei YPOG. Ivo berät Investoren, Initiatoren von Venture Capital-Fonds bei gesellschafts-, steuer- und aufsichtsrechtlichen Fragen.

zur Autorenseite

Ähnliche Artikel