Wiederbestellung eines aus wichtigem Grund abberufenen Geschäftsführers (BGH, Urteil vom 19.11.1990, Az.: II ZR 88/89)

Amtlicher Leitsatz:

  • Zur Frage der Wiederbestellung des Geschäftsführers einer GmbH, der aus wichtigem Grunde abberufen worden ist.

Aus dem Tatbestand:

Die Kl. und ihr Bruder E sind am Stammkapital der verklagten GmbH mit je 220000 DM beteiligt; einen weiteren Anteil in Höhe von 220000 DM besitzt ihr Bruder H. Die Nebenintervenientin und die Erben ihres Bruders S sind an der Bekl. mit je 150000 DM beteiligt. E wurde in der Gesellschafterversammlung vom 31. 10. 1986 als Geschäftsführer der Bekl. sowohl nach § 38 I GmbHG als auch (in diesem Fall ohne seine Beteiligung an der Abstimmung) aus wichtigem Grunde abberufen. Die gegen diese Abberufung erhobene Anfechtungsklage war bei einem anderen Senat des BerGer. anhängig, als dessen Urteil in dieser Sache erging. In der Gesellschafterversammlung vom 18. 5. 1987 wurde neben einer Reihe von Tagesordnungspunkten, die in der Revisionsinstanz nicht mehr interessieren, auch über den Antrag abgestimmt, E zum Geschäftsführer der Bekl. zu bestellen. Für diesen Antrag stimmten die Kl. und E mit je 220 Stimmen; gegen den Antrag stimmten die Erben S mit 150 Stimmen sowie die Nebenintervenientin mit 150 und 220 Stimmen. 220 Stimmen gab die Nebenintervenientin mit der Begründung ab, sie habe am 20. 3. 1987 durch notarielle Urkunde den Geschäftsanteil von H wirksam erworben. Es wurde daraufhin festgestellt, daß der Antrag abgelehnt sei. Die Kl. ist der Ansicht, 220 der von der Nebenintervenientin abgegebenen Stimmen seien nichtig, weil diese am 18. 5. 1987 nicht Inhaberin des Anteils von H gewesen sei. Sie hat mit der Anfechtungsklage beantragt, neben einer Reihe anderer Beschlüsse, die ebenfalls am 18. 5. 1987 gefaßt worden sind, auch den Beschluß für nichtig zu erklären, durch den der Antrag abgelehnt worden ist, E zum Geschäftsführer zu bestellen; gleichzeitig will sie festgestellt wissen, daß E zum Geschäftsführer bestellt worden ist.

Das LG hat in diesem Punkt der Klage stattgegeben, während es im übrigen den Klageanträgen nur teilweise entsprochen hat. Das BerGer. hat die Berufungen der Kl. und der Nebenintervenienten zurückgewiesen. Die Revision der Kl. ist insgesamt nicht und die der Nebenintervenientin nur insoweit angenommen worden, als es um die Bestellung von E zum Geschäftsführer geht.

Im Umfang der Annahme führte die Revision zur Zurückverweisung der Sache an das BerGer.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Die Vorinstanzen haben den Beschluß der Gesellschafterversammlung der Bekl., durch den die Mehrheit der Gesellschafter es abgelehnt hat, E zum Geschäftsführer zu bestellen, für nichtig erklärt, weil er mit den von der Nebenintervenientin zusätzlich abgegebenen 220 Stimmen zustande gekommen sei; diese Stimmenabgabe sei nichtig, weil die Nebenintervenientin den Geschäftsanteil von H, auf den die Stimmen entfielen, am 20. 3. 1987 nicht wirksam erworben habe. Der Frage, ob E am 18. 5. 1987 schon deshalb nicht hätte zum Geschäftsführer bestellt werden dürfen, weil er als solcher am 31. 10. 1986 aus wichtigem Grunde abberufen worden war, ist das BerGer. nicht nachgegangen. In dem Hinweis der Nebenintervenientin, daß E wegen dieser Abberufung an seiner erneuten Bestellung nicht habe mitwirken dürfen und das Urteil des LG schon aus diesem Grunde fehlerhaft sei, hat das BerGer. ein Verteidigungsmittel gesehen, das es nicht zu berücksichtigen brauche, weil es nicht vor Schluß der mündlichen Verhandlung, sondern verspätet in einem Schriftsatz geltend gemacht worden sei, der erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung eingereicht worden ist. Diese Beurteilung greift die Revision mit Erfolg an.

2. Nach der Rechtsprechung des Senats gebietet die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht allen Gesellschaftern, der Abberufung eines Geschäftsführers zuzustimmen, in dessen Person wichtige Gründe vorliegen, die sein Verbleiben in der Organstellung für die Gesellschaft unzumutbar machen (vgl. für den ähnlichen Fall des Ausschlusses von Gesellschaftern BGHZ 64, 253 (257 ff.) = NJW 1975, 1410; BGHZ 68, 81 (82) = NJW 1977, 1013). Stimmen, die in einer Gesellschafterversammlung trotz Vorliegens wichtiger Gründe gleichwohl für ein Verbleiben des Geschäftsführers im Amt abgegeben werden, können rechtsmißbräuchlich und deshalb nichtig sein. Bei der Feststellung des Beschlußergebnisses sind sie nicht mitzuzählen (vgl. Senat, BGHZ 102, 178 = NJW 1988, 969 = LM § 709 BGB Nr. 13 = WM 1988, 23 (25) = ZIP 1988, 22 (24)). Werden sie gleichwohl mitgezählt und kommt deswegen ein ablehnendes Beschlußergebnis zustande, so ist der Beschluß anfechtbar. Geht es um die Bestellung eines Geschäftsführers, so gilt nichts anderes. Kein Gesellschafter hat das Recht, Personen, die eine Gefahr für die Gesellschaftsinteressen darstellen und deshalb für die Gesellschaft untragbar sind, in das Amt des Geschäftsführers zu wählen (vgl. auch Rowedder-Koppensteiner, GmbHG, 2. Aufl., § 47 Rdnr. 105; Scholz-Karsten Schmidt, GmbHG, 7. Aufl., § 47 Rdnr. 30). Er verletzt seine Treuepflicht mit der Folge, daß seine Stimme wegen Rechtsmißbrauchs nichtig ist, wenn er gleichwohl für eine Berufung stimmt. Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt hat das BerGer. den Sachvortrag der Nebenintervenientin rechtsfehlerhaft nicht geprüft.

3. Schon die Kl. hatte in der Klageschrift vortragen lassen, daß E am 31. 10. 1986 mit den Stimmen seines Bruders H und denen des Stammes S aus wichtigem Grunde als Geschäftsführer abberufen worden war. Die Gründe, die hierfür ausschlaggebend gewesen sein sollen und die die Nebenintervenientin in ihrer Berufungsbegründung im einzelnen dargelegt hat, laufen im Kern

darauf hinaus, daß E als Geschäftsführer der Bekl. nicht ausschließlich deren Interessen, vielmehr eigene zum Nachteil der Bekl. verfolgt hat. Wegen dieser Verfehlungen soll am 31. 10. 1986 selbst H – anders als früher – nicht mehr zu seinem Bruder gehalten, sondern gegen ihn gestimmt haben.

Mehr als diesen Sachverhalt brauchte die Nebenintervenientin im Interesse der Prozeßförderung nicht vorzutragen. Sie war nicht gehalten, das BerGer. auch noch darauf hinzuweisen, welche Rechtsfolgen sich aus diesem Vortrag für die Anfechtungsklage ergeben können. Den Sachverhalt rechtlich zu beurteilen, war allein Sache des Gerichts. Der rechtliche Hinweis in dem nach Schluß der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz war kein zusätzliches Verteidigungsmittel, das als verspätet hätte zurückgewiesen werden können; er war lediglich ein Anstoß zu rechtlichen Überlegungen, zu denen das BerGer. ohnehin verpflichtet war.

4. Mangels gegenteiliger Feststellungen ist revisionsrechtlich zu unterstellen, daß der Sachvortrag der Nebenintervenientin den Tatsachen entspricht, daß die gegen E erhobenen Vorwürfe also zutreffen. Unter diesen Voraussetzungen ist aber nicht auszuschließen, daß das BerGer. nach Abwägung aller Umstände zu dem Ergebnis hätte kommen müssen, daß E der Bekl. als Geschäftsführer nicht zuzumuten war und daß die Kl. sowie E ihr Stimmrecht mißbrauchten, als sie gleichwohl für dessen Bestellung stimmten. Ihre Stimmen hätten dann bei der Beschlußfeststellung nicht mitgezählt werden dürfen, so daß der Antrag allein schon mit den 150 Stimmen der Nebenintervenientin abgelehnt worden wäre; die von der Nebenintervenientin fehlerhaft zusätzlich abgegebenen 220 Stimmen wären in dem Falle für die Ablehnung nicht kausal geworden.

5. Die Sache wird an das BerGer. zurückverwiesen, damit die erforderlichen Feststellungen und die Prüfung der Frage nachgeholt werden können, ob die Kl. und E ihr Stimmrecht mißbrauchten, als sie für dessen Bestellung zum Geschäftsführer der Bekl. stimmten.

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